Eine hohe VO2max allein reicht nicht aus
Lange galt die VO2max als wichtigster Faktor zu Beurteilung der aeroben Leistungsfähigkeit. Gerade bei Läufern greift diese Einschätzung jedoch viel zu kurz. Mindestens genauso wichtig die die Effizienz eines Sportlers.
Eine Videodokumentation über die Trainingsmethoden der Norweger ließ die Fachwelt vor kurzem staunend zurück. Kristian Blummenfelt hat bei einer Labordiagnostik auf dem Laufband über 7700 ml Sauerstoff umgesetzt. Bei einem angenommenen Körpergewicht von rund 76kg ergibt sich für Blumi eine relative Sauerstoffaufnahme von über 100 ml/min/kg!
Dennoch tritt sein Trainer Olav Aleksander Bu auf die Euphoriebremse. Zwar habe man im Labor Werte erzielt, die bisher noch nie gemessen wurden, dennoch heiße das nicht, dass Kristian künftig seine Konkurrenz in Grund und Boden renne.
Eine hohe maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) alleine reicht nämlich nicht aus. Entscheidend ist die Effizienz des Sportlers. Dabei gilt es sowohl die metabolische Effizienz als auch die Bewegungsökonomie zu berücksichtigen.
Entscheidend für eine hohe Wettkampf-Pace ist die Ausnutzung der VO2. Ein effizienter Läufer braucht bei gleicher Geschwindigkeit weniger Sauerstoff als ein weniger effizienter Läufer.
Schauen wir uns die beiden Faktoren einmal an:
Laufökonomie
Die Laufökonomie ist ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, schneller zu laufen. Dabei geht es um Faktoren wie Fußaufsatz, Schrittfrequenz, Sehnensteiffigkeit und Bodenkontaktzeit.
Doch wie kann man die eigene Laufökonomie messen?
Diagnostiker konzentrieren sich in der Regel auf physiologische Parameter wie die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max), die individuelle Schwellenleistung (IANS) und die Laktatbildungsrate (VLamax).
Das ist auch sinnvoll, um ein generelles physiologisches Profil eines Athleten zu erstellen. Mit diesen Daten kann man beispielsweise die mögliche Leistung beim Radfahren sehr genau prognostizieren.
Beim Laufen kommt noch die Bewegungsökonomie als weitere leistungsbestimmender Faktor dazu. Das liegt vor allem daran, dass beim Laufen der Bewegungsablauf nicht vorgegeben ist.
Dafür bedienen wir uns ebenfalls physiologischer Messmethoden. Lange Zeit hat sich die Sportwissenschaft voll auf die VO2max als Leiastungsbestimmenden Parameter konzentriert. Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass nicht immer der Läufer mit der höheren relativen Sauerstoffaufnahme (VO2max rel) gewinnt.
Die Sauerstoffaufnahme-Kapazität bestimmt lediglich die Größe deines Motors, während die Laufökonomie dessen Verbrauch beschreibt. Deine Laufökonomie gibt also an, wie viel Sauerstoff du für eine bestimmte Pace benötigst. Je besser deine Laufökonomie ist, desto weniger Sauerstoff benötigst du für eine vorgegebene Pace.
In der Tabelle kannst du ein Beispiel sehen, wie sich eine Verbesserung der Laufökonomie um 10% auf deine Pace auswirkt. Grün sind die Werte eines Läufers mit einer VO2max von 60 ml/kg/min. Orange eingezeichnet sind die Werte desselben Läufers, der seine Laufökonomie um 10% verbessert hat.
Bei einer identischen maximalen Sauerstoffaufnahme kann der Läufer nun also rund 1km/h schneller laufen. Da sich die Leistung linear entwickelt, ist der Geschwindigkeitsgewinn bei jedem Tempo gegeben.
Auf den Marathon hochgerechnet lassen sich durch eine bessere Laufökonomie also schnell mal 20-25min rausholen. Bei gleichem Trainingsstand (Stoffwechselprofil).
Es lohnt sich also, den eigenen Laufstil und vor allem deine Laufökonomie unter die Lupe zu nehmen.
Metabolische Effizienz
Die metabolische Effizienz beschreibt dagegen, wie effizient dein Stoffwechsel funktioniert. Dabei kann man mit der VO2max lediglich die aerobe Kapazität beziffern. Die Leistung im Wettkampf wird aber nicht durch die aerobe Energiebereitstellung bestimmt. Auch die anaerobe Kapazität übernimmt einen Teil der Energiebereitstellung.
Je höher die anaerobe Kapazität ausgeprägt ist, desto besser kann ein Sportler den Turbo zünden. Das geht allerdings auf Kosten seiner metabolischen Effizienz. Die anaerobe Kapazität lässt sich über die Laktatbildungsrate (VLamax) messen. Je niedriger die Laktatbildungsrate ist, desto ökonomischer funktioniert der Stoffwechsel.
Man kann die VLamax also nicht per se in gut oder schlecht einstufen, sondern muss die Beurteilung immer in Relation zur geplanten Wettkampfzielen setzen. Für einen Sprinter ist eine hohe VLamax sinnvoll, um den besagten Turbo zünden zu können. Ein Langdistanz-Triathlet braucht für sein gleichmäßiges Pacing hingegen einen effizienten Fettstoffwechsel, also eine möglichst niedrige VLamax.
Wie sich die Vlamax auf die eigene Schwellenleistung auswirkt, kannst du in dieser Tabelle sehen:
In diesem Beispiel habe ich die mögliche Schwellenleistung eines Triathleten mit einer VO2max von 56 ml/min/kg in Abhängigkeit verschiedener Bildungsraten kalkuliert.
Für die Ermittlung der individuellen anaeroben Schwelle habe ich die Crossing-Point-Methode nach Mader und Heck verwendet. Dabei wird das maximale Laktat-Steady-State (MLSS) auf Basis der VO2max und der VLamax berechnet.
Wie du in der Grafik sehen kannst, variiert die Schwellenleistung bei gleicher VO2max sehr stark, wenn wir eine unterschiedliche VLamax zugrunde legen. Dabei gilt: Je höher die Bildungsrate, desto niedriger ist die Schwellenleistung. Für einen Triathleten ist es daher besonders erstrebenswert, die Laktatbildungsrate durch sein Training zu senken, weil sein Stoffwechsel dann für seine Ziele ökonomischer funktioniert.
Wie du nun hoffentlich sehen kannst, reicht eine hohe VO2max alleine nicht aus, um im Triathlon erfolgreich zu sein.