Scheiß auf den Schnitt, beim Radfahren kommt es auf die Leistung an!
Wir schreiben das Jahr 2018. Der Radsport blickt auf eine rund 150-jährige Geschichte zurück. Seit dem 19. Jahrhundert hat sich der Sport kontinuierlich weiterentwickelt und die Sportwissenschaft hat weitreichende Erkenntnisse über den menschlichen Körper gewonnen.
Moderne Diagnostikverfahren und valide Leistungsmesser am Rad geben uns detaillierte Einblicke in die menschliche Leistungsfähigkeit. Dennoch gibt es noch immer Radsportler, die auf ihren Geschwindigkeitsschnitt schauen, um die eigene Leistung zu beurteilen.
Vergiss das bitte ganz schnell. Der gefahrene Schnitt hat so gut wie keine Aussagekraft über deine Leistung. Gerne versuche ich dir das auch mit Zahlen zu belegen.
Du glaubst mir nicht? Dann überleg mal, was für den Trainingseffekt verantwortlich ist? Geschwindigkeit oder die geleistete Arbeit auf dem Rad? Wenn uns Geschwindigkeit schneller machen würde, dann würde ich nur bergab trainieren. Immer schön mit nem 60er Schnitt. Am besten ohne zu treten.
Ohne Schweiß kein Preis
Das wäre zu schön, um wahr zu sein. Die Zeiten, in denen du nicht in die Pedale trittst, kannst du nämlich getrost aus deiner Trainingszeit herausrechnen. Was dich wirklich schneller macht, ist die Leistung, die du erbringst. Und die ist messbar.
Zunächst sollten wir uns allerdings damit beschäftigen, was du eigentlich mit deinem Training erreichen willst. Denn nur wenn wir uns Gedanken über die muskuläre und pyhsiologische Arbeit des Körpers machen, können wir den Trainingseffekt voraussagen.
An dieser Stelle musst du dir Gedanken über deine Trainingsziele machen. Ein Radsportler braucht ein anderes Training als ein Triathlet. Denn ein Radrennen ist i.d.R. von einer anderen Dynamik geprägt als ein Triathlonrennen.
Radfahrer und Triathleten brauchen unterschiedliche Trainingspläne
Auf der einen Seite haben wir Teams, Windschattenfahren im Pelton, Ausreißversuche, Zwischensprints und taktisches Geplänkel. Darauf muss ein Radsportler ggf. reagieren können. Ein Klassement-Fahrer braucht andere physiologische Voraussetzungen als ein Sprinter oder ein Radmarathon-Teilnehmer.
Im Triathlon kommt es dagegen vor allem auf eine hohe submaximale Leistungsfähigkeit an. Die Tempogestaltung sollte möglichst gleichmäßig sein. Der Kampf alleine gegen den Wind prägt den Radpart. Anschließend sollte danach noch möglichst schnell Laufen können.
Sinnvolles Training sollte sich also unterscheiden und auf das jeweilige Trainingsziel abgestimmt sein. Bei Triathleten kommt es auf eine möglichst hohe Sauerstoffaufnahme (VO2max)und eine niedrige Laktatbildungsrate (VLamax) an.
Sinnvolles Fettstoffwechseltraining
Eine hoher Sauerstoffumsatz ermöglicht dir eine gute aerobe Energiebereitstellung über einen langen Zeitraum. Je länger jedoch die Wettkampfbelastung, desto wichtiger wird der Anteil der Fettverbrennung an der Energiebereitstellung. Eine niedrige Laktatbildungsrate sorgt also für einen öknomischen Umgang deines Körpers mit seinen Kohlenhydratreserven (Glykogen).
Mit zunehmender Belastungsdauer nimmt das Fettstoffwechseltraining daher eine wachsende Bedeutung im Training ein. Ein bewährtes Mittel zur Optimierung deines Fettstoffwechsels sind lange und ruhige Ausfahrten. Im Trainingsplan steht dann beispielsweise 2-4 Stunden Grundlagenausdauer (GA1).
Um beim Grundlagentraining einen optimalen Trainingsreiz zu setzen, ist es wichtig, dass du eine möglichst gleichmäßige Leistung erbringst. Deine Durchschnittsleitung sollte im entsprechenden Trainingsbereich liegen. Gemessen an deiner FTP liegt dein Fettverbrennungsbereich bei 56-75 Prozent.
Wenn du gleichmäßig und kontinuierlich in die Pedale trittst, liefert überwiegend dein aerober Stoffwechsel die benötigte Energie und der Körper lernt, mehr Fette umzusetzen. Gleichzeitig werden die begrenzten Glykogenreserven geschont.
Je intensiver dein Training desto mehr Laktat bildet dein Körper
Achtest du dagegen nicht auf eine gleichmäßige Fahrweise, sondern hältst dein Tempo hoch, steigt dein Energiebedarf immer wieder in einem Maß, in dem deine Fettverbrennung nicht hinterherkommt. Der Körper verbrennt zunehmend Kohlenhydrate, indem Glukose zu Laktat verarbeitet wird.
Laktat ist ein Stoffwechselzwischenprodukt, welches ohne Zufuhr von Sauerstoff in der Muskelzelle entsteht. Laktat hat einen Vorteil und einen Nachteil: Durch die laktazide Energiegewinnung kann der Körper in kurzer Zeit extrem viel Energie freisetzen. Wir sind dadurch kurzfristig zu extremen Leistungen fähig.
Nachteilig an der Energiegewinnung au Laktat ist jedoch, dass unsere Muskulatur zunehmend übersäuert und wir unsere Glykogenreserven sehr schnell aufbrauchen. Bei einem kurzen Sprinttriathlon lässt sich eine hohe Laktatproduktion kaum vermeiden, wenn ich Bestleitung erzielen will.
Auf der Langdistanz ist eine übermäßige Laktatproduktion jedoch tödlich, weil meine Kohlenhydratreserven stark limitiert sind. Zudem kann ich unter Belastung nicht mehr genug Kohlenhydrate nachlegen. Entsprechend sollte auch dein Training gestaltet sein.
Was ist dein Trainingsziel?
Mach dir vor jeder Einheit Gedanken, was du mit dem Training erreichen willst. Was muss dein Stoffwechsel im Wettkampf leisten? Und dann weißt du, was du dafür trainieren musst!
Ein Großteil deiner Trainingszeit sollte im Grundlagenbereich absolviert werden. Eine ruhige und gleichmäßige Belastung sorgt für eine positive Anpassung deines aeroben Stoffwechsels. Dabei gilt: Je mehr Zeit du pro Woche trainieren kannst, desto höher ist der Anteil am Gesamtvolumen. Als Faustformel kannst du das Pareto-Prinzip anwenden: 80 Prozent Grundlage und 20 Prozent Intensität.
Ein Grundlagentraining kennzeichnet sich durch eine möglichst gleichmäßige Fahrweise. Wenn du dir nach dem Training dein Leistungsprofil anschaust, erkennst du, ob du dein Ziel erreichst hast. Deine Durchschnittsleistung (Avg P) sollte nah bei deiner Normalized Power (NP) liegen.
Liegt die beiden Werte weiter auseinander, hast du dein Trainingsziel verfehlt. Es sei denn, du hast ein anderes Ziel als Grundlagentraining verfolgt.
Hier kannst du eine typische Fettstoffwechseleinheit sehen:
Beispiel: Fettstoffwechseltraining
Bei der vorliegenden Trainingsfahrt bin ich alleine im Wind gefahren und hab versucht, relativ konstant zu fahren. Dabei habe ich die Trittfrequenz bei +/- 80 Umdrehungen und die Wattanzeige zwischen 150 und 160 gehalten. Hat sich einer der Werte verändert, dann habe ich versucht mit Schalten wieder in meinen vorgegebenen Bereich zu kommen.
Hier sind die nackten Zahlen:
- Strecke: 45 km flach
- Dauer: 1:45 h
- Ø Tempo: 25,6 km/h
- Ø Leistung 135 Watt
- NP 150 Watt
Im Leistungsprofil kannst du erkennen, dass die getretenen Wattwerte relativ nah beieinander liegen. Kurze Ausreißer kommen jedoch immer vor. Anders als auf der Rolle ist es auf der Straße schwer, tatsächlich einen vorgegebenen Wattwert einzuhalten. Bereits kleinste Änderungen wie Gegenwind oder eine Brücke wirken sich sofort auf die Leistung aus.
Nehmen wir ein anderes Beispiel: Gruppenausfahrt
Bei dieser Ausfahrt sind wir in einer Gruppe mitgefahren. Das vorliegende Profil zeigt meine Werte bei der Fahrt, wobei ich einen Großteil im Windschatten mitgerollt bin, aber auch ca. 20 Prozent der Zeit Führungsarbeit geleistet habe.
Hier sind die Daten:
- Strecke: 125 km wellig
- Zeit: 3:50 h
- Ø Tempo: 31,5 km/h
- Ø Leistung 129 Watt
- NP 162 Watt
Das Leistungsprofil weist sehr viele Spitzen auf und ist sehr zackig. Die Ausfahrt wurde nicht nach Leistung gesteuert, sondern nach Tempo. Ziel war ein 30er Schnitt oder schneller.
Nun kommt die Preisfrage: Welches Training hat mir als Triathleten mehr gebracht? Bei der schnellen Ausfahrt habe ich mit 129 Watt im Durchschnitt etwas weniger geleistet und man könnte meinen, dass ich damit eine recht moderate Belastung hatte und dmit voll im Fettverbrennungsberiech lag. Zieht man den NP Wert hinzu, ergibt sich ein anderes Bild. Die Normalized Power lag bei der Gruppenfahrt deutlich über meiner Durchschnittsleistung. Das liegt an den vielen Spitzen.
Statt das Tempo konstant zu gestalten, wurde jede Welle mit Tempo weggedrückt. Dabei ist der Wattmesser regelmäßig auf über 350 Watt und mehr raufgeschnellt. Oben angekommen, brauchte man dagegen kaum in die Pedale zu treten, um den Anschluss zu halten.
Was passiert beim Training im Körper?
Noch klarer wird der Unterschied, wenn man sich vor Augen führt, was im Stoffwechsel passiert. Fahre ich über den gesamten Zeitraum möglichst konstant, kann der Körper einen großen Anteil der benötigten Energie aus der Fettverbrennung ziehen.
Kurze Spitzen führen jedoch dazu, dass der Organismus immer wieder an seine Kohlenhydratreserven geht. Dabei wird in sehr kurzer Zeit sehr viel Glukose in Laktat umgewandelt.
Das Problem an der Geschichte ist Folgendes: Ist Glukose einmal zu Laktat umgewandelt, kann der Prozess nicht mehr umgekehrt werden. Laktat ist zwar keine verlorene Energie, sondern kann nach neuesten Erkenntnissen sehr wohl als Treibstoff für muskuläre Arbeit herangezogen werden.
Allerdings muss das Laktat erstmal auf ein normales Maß abgebaut werden. Obwohl ich nach jeder Welle wieder relativ moderat getreten habe, ist die Fettverbrennung nicht sofort wieder angesprungen. Je nachdem wie oft ich solche Antritte mache und je nachdem wie lange diese dauern, verbrauche ich relativ viel Glykogen statt in de Fettverbrennung zu bleiben.
Entscheide ich mich bei einer Langdistanz für eine solche Pacingstrategie, werden mir spätestens beim Marathon die Körner ausgehen. Egal wie ausgeklügelt meine Ernährungsstrategie aussieht.
Fazit: Es kommt beim Radtraining eben nicht auf die Geschwindigkeit an, sondern auf die erbrachte Leistung.