Gedanken zum Thema Krafttraining im Triathlon
Kraft ist eine grundlegende Fähigkeit, die jeder Sportler braucht. Wir brauchen Kraft, um Widerstände zu überwinden, wenn wir uns fortbewegen wollen. Das gilt für jede Disziplin im Triathlon. Doch wie viel Kraft braucht ein Ausdauersportler tatsächlich und wie trainieren Triathleten ihre Kraft am sinnvollsten?
Krafttraining begleitet Athleten schon seit der Mensch Sport treibt. Der vielleicht berühmteste Kraftsportler der Antike war Milon von Kroton. Der Legende nach schulterte der Olympionike ein junges Kalb, um sich zu kräftigen. Und zwar täglich.
Mit dem heranwachsend des Kalbes wuchs seine Kraft, bis er eine ausgewachsene Kuh stemmen konnte. Erzählt man sich. Das tägliche Krafttraining wurde zum Grundstein seines sportlichen Erfolges. Heute gilt er als der größte Sportler der Antike.
Warum steige ich in meinen Beitrag mit griechischen Mythen ein?
Ob Milon tatsächlich eine Kuh anheben konnte, wage ich zu bezweifeln. Dennoch kann man aus der Geschichte etwas lernen. Und zwar leiten Sportwissenschaftler von seinem Training das Prinzip der progressiven Belastungssteigerung ab. Damit Kraft und Muskelvolumen zunehmen, braucht es ständig neue Reize, sonst stagniert die Entwicklung.
Idealerweise steigert man daher die Trainingsbelastung progressiv. Ihr kennt das vielleicht aus dem Fitnessstudio, wo euch der Trainer gesagt hat, ihr sollt ab und an eine Gewichtsscheibe mehr auf die Maschine packen, damit ihr stärker werdet.
Aus Erfahrung kann ich bestätigen, dass dieses Prinzip sehr gut funktioniert. Durch eine progressive Steigerung der Gewichte kann man sehr gut Muskeln aufbauen und auch seine Kraftleistung verbessern. In meiner aktiven Zeit als „Kraftsportler“ konnte ich mein Maximalgewicht beim Bankdrücken so beispielsweise auf über 110kg anheben.
Krafttraining war unter Ausdauersportlern verpönt
Bis zu diesem Maxgewicht war es ein langer Weg für mich. Der Erfolg hat sich nicht über Nacht eingestellt, sondern war recht steinig. Ich habe über 20 Jahre aktiv Krafttraining betrieben und so manche Stunde im Gym verbracht. Pro Workout wurden ein paar Tonnen Eisen gestemmt.
In dieser Zeit war Krafttraining bei Ausdauersportlern eher noch verpönt und wurde auch von Triathlon-Trainern stiefmütterlich behandelt. Nur langsam setzten sich Erkenntnisse aus der Sportwissenschaft in der Szene durch, dass Krafttraining auch für Läufer und Radfahrer sinnvoll sein könnte.
Eisenbiegen bringe unerwünschte Muskelmasse, lautet ein gängiges Vorurteil. Diese Annahme ist jedoch recht undifferenziert, weil Muskelaufbau keine zufällige Folge aus gelegentlichem Hanteltraining ist. Im Gegenteil, genauso wie Erfolg im Ausdauersport viel Fleiß und Disziplin erfordert, benötigen auch Kraftsportler sehr viel Beharrlichkeit, um ihre Ziele zu erreichen.
IK-Training sorgt für mehr Kraft
Allerdings könnten die für den Erfolg erforderlichen Trainingsreize nicht unterschiedlicher sein. Ausdauersport ist vor allem durch extensive zyklische Bewegungsfolgen gekennzeichnet, während Krafttraining kurze und intensive Belastungen erfordert.
Damit Muskeln wachsen, braucht es sehr hohe Muskelspannungen. Die besten Ergebnisse erzielt man, wenn man mit hohen Gewichten bis zum Muskelversagen trainiert. Dadurch werden starke Wachstumsreize gesetzt und die Muskulatur passt sich an. Muskelfasern werden dicker, der Querschnitt steigt und auch die Ansteuerung der Muskelfasern wird optimiert.
Es gibt verschiedene Anpassungseffekte beim Krafttraining. Ein wesentlicher Effekt ist mehr Kraft. Das können wir zum einen erreichen, wenn die Muskeln wachsen. Zum anderen kann die Maximalkraft aber auch durch intra- und intermuskuläre Prozesse steigen.
Durch das Training mit hohen Gewichten wird die Ansteuerung der Muskelfasern verbessert. Das sorgt auch ohne sichtbares Muskelwachstum für mehr Kraft. Rekrutierung und Frequenzierung nennt man das in der Fachsprache.
Ein untrainierter Mensch hat viel ungenutztes Kraftpotenzial, weil beim Anheben von Lasten nur ein Teil der Muskelfasern arbeitet. Durch Krafttraining lassen sich mehr Muskelfasern innervieren (Rekrutierung) – dadurch steigt die Maximalkraft.
Unter Frequenzierung verstehen Sportwissenschaftler die Geschwindigkeit, mit der Nervenimpulse im Muskel ankommen und zu einer schnelleren Aktivierung und somit auch mehr Kraft führen.
Diese intramuskulären Prozesse werden beim sogenannten IK- oder Maximalkraft-Training optimiert. Durch ein besseres Zusammenspiel der an einer Bewegung beteiligten Muskelgruppen (intermuskulär) kann ebenfalls die Kraft gesteigert werden.
Krafttraining ist nicht nur eine Frage der Definition
In allen Fällen braucht es aber sehr hohe Widerstände und eine kurze Belastungsdauer, um einen messbaren Maximalkraftzuwachs zu erzielen. Aus sportwissenschaftlicher Sicht würde ich Krafttraining so definieren:
Krafttraining beschreibt ein körperliches Training mit dem Ziel, die motorischen Kraftfähigkeiten zu verbessern. Dafür ist der Einsatz erheblicher Muskelkraft in Relation zur eigenen Maximalkraft erforderlich. Sportwissenschaftler sehen das bei 30-50% eines Gewichtes gegeben, dass du genau 1x anheben kannst.
Ist der Krafteinsatz geringer als 30% spricht man nicht mehr von Krafttraining. Nehmen wir eine zeitliche Komponente dazu: Wenn du mit einem Gewicht arbeitest, welches 50% oder mehr deines Maximalgewichtes beträgt, wirst du maximal 20-30 Wiederholungen schaffen und nach spätestens 2 Minuten ermüdet sein. Wir sprechen hier von Kraftausdauer.
Kannst du eine Bewegung deutlich länger als 2 Minuten aufrechterhalten, reden wir aus sportwissenschaftlicher Sicht bereits über Ausdauertraining. Für eine motorische Anpassung im Sinne eines Krafttrainings ist das eingesetzte Gewicht zu gering.
Warum ist das relevant für Triathleten?
Ganz einfach: Sportwissenschaftlich gesehen sind klassische Trainingsformen wie Kraft am Berg oder Schwimmen mit Paddels kein Kraft- bzw. Kraftausdauertraining. Der dazu erforderliche Kraftaufwand ist einfach zu gering, um eine motorische Anpassung im Sinne eines Krafttrainings zu erzielen.
Damit ihr mich nicht falsch versteht, ich möchte an dieser Stelle nicht die klassischen Trainingsmethoden in Frage stellen und von einem kraftbetonten Fahren am Berg oder dem Einsatz von Paddels abraten.
Auch dieses typische „Kraftausdauertraining“ führt sicherlich zu positiven Trainingseffekten, aber diese sind eher im Bereich der Ermüdungsresistenz zu suchen und beruhen weniger auf motorischen Anpassungen.
Anders ausgedrückt: Vermutlich haben etliche Triathleten und Ausdauersportler noch einiges ungehobenes Potenzial, wenn sie statt noch mehr Ausdauertraining zu machen, einfach mal in den Kraftraum gingen und ein strukturiertes Krafttraining absolvieren würden.
Kraftaufbau braucht hohe Widerstände
Denn Kraft ist sicherlich ein entscheidender und manchmal auch limitierender Faktor im Triathlon. Wenn ich meine Maximalkraft steigere, dann habe ich nämlich definitiv auch mehr Kraftausdauer und kann ggf. einen dickeren Gang länger und mit höherer Frequenz treten oder mein Schwimmtempo länger hochhalten.
Wenn du wirklich an deiner Kraft arbeiten willst, gibt es dafür nur einen Weg. Keinesfalls reicht es da aus, einfach länger Laufen zu gehen, wie ich jüngst von einem Trainer in einem Videobeitrag vernommen habe. Es ist einfach Unsinn, dass lange Trainingsbelastungen einen kraftsteigernden Effekt haben.
Im Gegenteil: Ausgedehnte Laufeinheiten führen zu einer starken Ermüdung um im Extremfall sogar zu einem Muskelabbau. Jegliche Sportaktivität, die über eine Stunde andauert, verursacht Stress und führt zu einer erhöhten Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol. Das wiederum führt zu einer katabolen Stoffwechsellage.
Cortisol wirkt sich zudem negativ auf den Trainingseffekt beim Krafttraining aus. Eine hohe Cortisolausschüttung senkt den Testosteronspiegel. Das wiederum hat negative Folgen auf die Regeneration und den Muskelaufbau.
Jetzt hast du zudem einen weiteren Grund, warum du als Triathlet keine Angst vor dicken Muskeln als Folge eines Krafttrainings haben musst. Die Trainingsreize stören sich nämlich gegenseitig. Viele Ausdauersportler haben zudem einen chronisch niedrigen Testosteronspiegel und tun sich schwerer damit, Masse aufzubauen. Darüber solltest du dir als Triathlet bewusst sein.
Mein Fazit zum Krafttraining
In diesem Sinne: Ja, ein begleitendes Krafttraining halte ich für sehr sinnvoll, aber dann bitte auch richtig. Der ideale Zeitpunkt für eine Krafteinheit wäre am Abend. Dann haben die Muskeln über Nacht Zeit, um sich anzupassen, bevor du den nächsten Ausdauerreiz setzt und der Stresslevel wieder steigt.
Zudem solltest du dich mit den unterschiedlichen Trainingsmethoden im Krafttraining vertraut machen und regelmäßig für neue Reize sorgen. Immer dieselbe Belastung ist nicht nur für den Kopf langweilig, sondern führt auch zu einer Stagnation.
Wechsel regelmäßig zwischen Maximalkraft-, Kraftausdauer- und Muskelaufbautraining, um neue Reize zu setzen und deine Kraft zu verbessern.
Viel Spaß!
Übrigens: Wenn dich Krafttraining interessiert, findest du in meinem Buch „Athletiktraining für Triathleten“ vertiefende Informationen zum Thema!