DIY Diagnostik 2.0 (BIKE) by JORGE

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Das gilt zumindest, wenn man bei Radfahren das Maximum aus seinem Training herausholen möchte. Ein Wattmesser am Rennrad kann eine wertvolle Trainingshilfe sein, um die eigene Radleistung entscheidend zu steigern. Sofern du dein metabolisches Profil kennst, kannst du damit viel zielgerichteter an deiner Fitness arbeiten.

Ein Powermeter allein macht natürlich noch keinen bessern Radfahrer aus dir, genauso wie ein teures Karbonrad nicht von selber fährt. Die Leistung musst du immer noch selber erbringen. Mit einem Powermeter am Rad kannst du aber die Leistung genau messen, die du auf die Straße bringst.

Damit du die gemessenen Werte in Relation zu deiner aktuellen Fitness bringen kannst, solltest du ab und an einen Leistungstest absolvieren. Die einfachste Möglichkeit dafür ist ein FTP-Test. Dabei absolvierst du nach einem Warm-Up ein kurzes Zeitfahren und ermittelst davon die Durchschnittsleistung (AvgP). Damit kannst du dann deine aktuelle Funktionsleistungsschwelle (FTP) bestimmen. Um deine Selbstdiagnostik zu präzisieren, haben wir den FTP-Test erweitert. Mit einer kleinen Testreihe kannst du nun dein metabolisches Profil bestimmen und dein Training auf deinen Fahrertyp abstimmen.

Erholungsstatus

Stelle sicher, dass du zu Beginn der Testreihe ausreichend erholt bist! Der Test sollte nicht unmittelbar nach einem harten Trainingsblock durchgeführt werden. Der ideale Zeitpunkt ist nach einer Entlastungswoche. Ich empfehle dir, einen oder zwei Ruhetage vorher einzuplanen.

Die DIY Diagnostik besteht aus einer kleinen Testreihe (20s, 4min, 20min). Alle Tests sollten SITZEND, unter den gleichen Bedingungen (Indoor, Outdoor), mit dem gleichen Fahrrad, in der gleichen Sitzposition (Auflieger, Oberlenker, tiefe Rennradposition), mit dem gleichen Leistungsmesser und auf der gleichen Steigung (Hügel vs. Ebene) durchgeführt werden, um eine hohe Vergleichbarkeit der Daten zu bekommen.

Hinweis: Wähle für die Tests das Rad, auf dem du im nächsten Trainingsblock die meiste Zeit verbringen wirst. Für den Winter empfehle ich das Rennrad. Ab dem Frühjahr kannst du die Tests auch auf dem Zeitfahrrad in Aeroposition absolvieren.

Ernährung (Vor, während, danach)

Behandle den Test wie einen Wettkampf. D.h. bitte vorher keine Low-carb-Ernährung, weil sonst die Werte verfälscht werden können. Spätestens zwei Tage vor der Testreihe solltest du auf eine normale Ernährung mit ausreichend Kohlenhydraten umstellen. Am Abend vor dem Test gehören auf jeden Fall ein paar Kohlenhydrate auf den Teller. Ein übertriebenes Carbo-Loading ist jedoch nicht nötig.

• Zum Frühstück am Testtag empfehle ich leicht verdauliche Kohlenhydrate. Idealerweise nimmst du deine letzte Mahlzeit etwa 2-3 Stunden vor dem ersten Test zu dir.
• Während der Belastung brauchst du eigentlich keine zusätzliche Energie, es schadet aber nicht, ein paar KH zuzuführen.
• Nach dem Test ist ein Recovery-Shake mit 25-30g Proteinen und 60-100g Kohlenhydraten sinnvoll, um die Regeneration einzuleiten.

Schritt 1: Vorbereitung

Vergewissere dich, dass dein Leistungsmesser kalibriert und dein Fahrradcomputer aufgeladen ist und noch genügend Speicherplatz hat. Stelle die Aufzeichnung von Daten pro Sekunde ein (keine intelligente Aufzeichnung!). Führen bei Bedarf vor jedem Test eine Kalibrierung der Nullpunktverschiebung durch und stelle sicher, dass auch deine Herzfrequenz aufgezeichnet wird (falls du einen Herzfrequenzmonitor hast).

Schritt 2: Warm-up

Wärme dich vor dem Test vernünftig auf. Meine Empfehlung sind 15-20min mit einem kleinen Ramp-up oder kurze Sprints im Spitzenbereich (nicht all-out). Danach solltest du noch mal 8-10min locker pedalieren, bevor du den eigentlichen Test startest. Nach der Testserie ist ein kurzes Cool-down 10-15min sinnvoll.

Testprotokoll für den FTP-Test:

  • 20min Warm-up mit 2 Testsprints (6s)
  • 20s Sprint zur Einschätzung der VLamax
  • 10min locker Rekom/GA1
  • 20min Allout zur Ermittlung der FTP
  • 15min locker Rekom/GA1
  • 4min Allout zur Ermittlung der VO2max
  • Cool-down

Die DIY-Diagnostik kann sowohl Indoor als auch Outdoor gefahren werden. Wichtig ist, dass du dich für eine Variante entscheidest. Ich empfehle dir, die Testreihe auf dem Smarttrainer zu absolvieren, weil du dabei unabhängig von störenden Einflüssen bist.

Wenn du die Tests auf der Straße fahren willst, dann mach dir Gedanken über eine geeignete Teststrecke. Die ideale Teststrecke ist lang genug, dass du dort je nach Testdauer 20min Vollgas fahren kannst, ohne anhalten zu müssen.

Verkehr, Kurven, Abfahrten oder Hindernisse können das Testergebnis verfälschen. Versuch eine Strecke zu finden, die flach oder leicht ansteigend ist. Fahren alle Tests unbedingt im Sitzen!

Es ist wichtig, eine möglichst konstante Leistung zu erbringen. Je länger das Intervall, desto wichtiger wird das Pacing. Du solltest also nicht direkt loshämmern wie die Feuerwehr, sondern das Zeitfahren ein bis zwei Minuten kontrolliert angehen und dann die Leistung steigern.

Test-Auswertung

Für die Auswertung deiner Leistungsdaten und zu Ermittlung deines Fahrerprofils, brauchst du die Durchschnittsleistung (AvgP) der jeweiligen Tests über 20s, 4min und 20min. Über deine Trainingsplattform bspw. TrainingPeaks kannst du die jeweiligen Segmente auswerten und dir die AvgP anzeigen lassen.

Bitte lade dir dafür einfach diese Excel-Tabelle herunter und trage die Daten in die dafür vorgesehenen Felder ein. Die Tabelle ermittelt dann deine VO2max, deine Schwellenleistung und schätzt grob deine Laktatbildungsrate. Dadurch kannst du dich einem der drei Fahrerprofile: Sprinter, Diesel oder Allrounder zuordnen. Je nach Fahrerprofil ergeben sich unterschiedliche Empfehlungen für die Trainingsgestaltung und die Pacing-Strategie im Wettkampf.

Download: https://jorge-sports.com/wp-content/uploads/2023/05/DIY-Leistungsdiagnostik.xlsx

Viel Spaß!