Kohlenhydrataufnahme im Triathlon: Reichen 90 g oder braucht es 120–180 g pro Stunde?
Neulich im Training fragte mich ein Athlet: »Coach, wenn die Norweger 180 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde verdrücken, muss ich das dann auch?« Ich musste schmunzeln. Noch vor ein paar Jahren galten 60 g/h als oberes Limit. Heute diskutieren wir über 120 g – und einzelne Profis gehen sogar bis 180 g. Aber was bringt das wirklich im Wettkampf? Und wie reagiert der Stoffwechsel auf diese Mengen?
Kohlenhydrataufnahme im Ausdauersport – die Entwicklung
- Früher: Lange Zeit galt: Mehr als 60 g/h sind nicht möglich, da der Darm nicht mehr aufnehmen kann. Glukose-Transporter (SGLT1) waren der begrenzende Faktor.
- Heute: Mit der Kombination von Glukose/Maltodextrin und Fruktose („Multiple Transportable Carbohydrates“) sind 90–120 g/h realistisch.
- Studien: Aktuelle Untersuchungen an Radfahrern und Ultraläufern zeigen: 120 g/h senken die subjektive Belastung, reduzieren Muskelschäden und beschleunigen die Erholung.
Fettstoffwechsel bei hoher Kohlenhydrataufnahme
- Wenn du während einer Langdistanz 120 g Kohlenhydrate pro Stunde oder mehr zuführst, passiert Folgendes:
- Fettverbrennung sinkt: Der Körper nutzt bevorzugt die schnell verfügbaren Kohlenhydrate.
- Fettstoffwechsel läuft weiter, aber mit geringerer relativer Leistung.
- Ziel im Wettkampf: Nicht maximale Fettverbrennung, sondern maximale Leistung bis ins Ziel.
Lohnen sich mehr als 120 g/h Kohlenhydrate?
- 120 g/h: Studienlage eindeutig – Vorteile in Belastung und Erholung.
- 150–180 g/h: Kaum wissenschaftliche Belege, nur Einzelfälle (z. B. Casper Stornes mit 182 g/h beim Ironman).
- Risiken: Sinkende Oxidationseffizienz, höheres Risiko für Magen-Darm-Probleme.
- Praxis: Alles über 120 g/h ist High-Risk–High-Reward. Nur mit Darm-Training und vorsichtigem Steigern testen.
Praktische Tipps für Triathleten
- Optimaler Bereich: 90–120 g/h Kohlenhydrate bei Ironman oder Langdistanz.
- Mischung beachten: Glukose:Maltodextrin + Fruktose (ca. 2:1 bis 1:1 Verhältnis).
- Darm trainieren: Schrittweise steigern – im Training mit 90 g/h starten, langsam auf 120 g/h hocharbeiten.
- Über 120 g/h: Nur experimentieren, wenn du bereits Erfahrung mit hoher Zufuhr hast und dein Verdauungssystem stabil bleibt.
Mein Fazit: 120 g Kohlenhydrate pro Stunde sind der neue „Sweet Spot“
Die optimale Kohlenhydrataufnahme im Ironman liegt heute bei 90–120 g/h. Mehr kann in Einzelfällen funktionieren, ist aber nicht wissenschaftlich abgesichert. Der Fettstoffwechsel wird mit steigender Kohlenhydrat-Zufuhr im Rennen gebremst – bius zu einem gewissen Grad ist das okay. Dein Ziel am Wettkampftag: Energie rein, Leistung raus. Adaption trainierst du an anderen Tagen.
Quellen:
- Jeukendrup, A.E. (2017). Periodized Nutrition for Athletes. Sports Medicine, 47(Suppl 1), 51–63.
- Jeukendrup, A.E. (2014). A Step Towards Personalized Sports Nutrition: Carbohydrate Intake During Exercise. Sports Medicine, 44(Suppl 1), 25–33.
- Jeukendrup, A.E. (2010). Carbohydrate and exercise performance: the role of multiple transportable carbohydrates. Current Opinion in Clinical Nutrition & Metabolic Care, 13(4), 452–457.
- Rowlands, D.S., et al. (2015). Glucose–Fructose Ingestion During Exercise: Digestion, Metabolism, and Performance Effects. Sports Medicine, 45(Suppl 1), 1–23.
- Viribay, A., et al. (2020). Effects of 120 g/h of Carbohydrate Intake During a Mountain Marathon on Exercise-Induced Muscle Damage. Nutrients, 12(5), 1367.
- Viribay, A., et al. (2020). Effects of 120 vs. 60 and 90 g/h Carbohydrate Intake During a Trail Marathon on Neuromuscular Function and Internal Exercise Load. Nutrients, 12(7), 1974.
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