Laktat und Fettstoffwechsel – wie ein kleines Molekül entscheidet, welchen Treibstoff du verbrennst
Seit Jahren wird Laktat im Ausdauersport missverstanden. Für viele Athleten ist es noch immer ein Abfallprodukt, das entsteht, wenn man „zu hart trainiert“. Doch moderne Forschung zeigt ein anderes Bild: Laktat ist einer der mächtigsten Stoffwechselregulatoren, die wir haben.
Es sagt dem Körper, wie er Energie nutzen soll. Und dieser Effekt geht weit über das hinaus, was wir früher angenommen haben.
Im Zentrum steht dabei die Frage:
Wie beeinflusst Laktat die Fettverbrennung?
Die kurzen Antworten sind überraschend klar:
- Steigt das Laktat, bremst der Körper die Fettverbrennung.
- Sinkt das Laktat, läuft die Fettverbrennung auf Hochtouren.
- Und zwar über zwei Wege: hormonell und direkt in der Muskelzelle.
Im Detail wird es spannend.
Laktat als Hormon: Was im Fettgewebe passiert
Wenn du trainierst und die Intensität steigt, verlässt ein Teil des Laktats die Muskelzelle und gelangt ins Blut. Dort wirkt es wie ein Hormon. Es erreicht das Fettgewebe und dockt an einen speziellen Rezeptor an: den GPR81-Rezeptor.
Was passiert dann?
Der Rezeptor sendet ein Signal aus, das die Lipolyse hemmt – also die Freisetzung von Fettsäuren aus den Fettzellen.
Warum macht der Körper das?
Weil hohe Laktatwerte anzeigen:
Der Energiebedarf ist hoch und dringend. Kohlenhydrate sind jetzt der effizientere Treibstoff.
Die Botschaft lautet:
Stoppt die Fettfreisetzung, wir brauchen schnelle Energie.
Damit sinkt die Menge verfügbarer Fettsäuren im Blut – systemweit.
Das ist der endokrine Effekt, beschrieben u. a. von Liu et al., 2009.
Laktat in der Muskelzelle: Was in den Mitochondrien passiert
Der zweite Mechanismus spielt sich direkt dort ab, wo deine Leistung entsteht: in der Muskelzelle.
Hier wirkt Laktat nicht als Hormon, sondern als autokriner Regulator. Das heißt: Die Zelle reagiert auf das Signal, das sie selbst erzeugt.
Die neuen Arbeiten von San Millán et al. (2022) zeigen:
- Laktat reduziert die Aktivität der Transportproteine CPT1 und CPT2.
- Diese Proteine sind dafür zuständig, Fettsäuren in die Mitochondrien zu schleusen.
- Wird dieser Transport blockiert, sinkt die Fettverbrennung unmittelbar.
- Parallel verschiebt Laktat die Redoxbalance, erhöht die ROS-Produktion und senkt die ATP-Produktion aus Fett.
Das klingt biochemisch – ist aber einfach erklärt:
Wenn Laktat steigt, schaltet die Muskelzelle auf Kohlenhydrate um und stoppt die Fettverbrennung direkt an der Tür zum Kraftwerk.
Das ist der autokrine Effekt.
Zusammen ergeben beide Mechanismen ein klares Bild.
Der ganze Körper hört auf Laktat
Wenn Laktat steigt:
- Fettgewebe schüttet weniger Fettsäuren aus.
- Muskeln nehmen weniger Fettsäuren auf.
- Mitochondrien verbrennen weniger Fett.
- Der gesamte Stoffwechsel orientiert sich auf Kohlenhydrate.
Das ist kein Fehler der Natur.
Es ist eine kluge Überlebensstrategie.
Fett ist ein guter Brennstoff.
Aber langsam.
Kohlenhydrate sind schnell.
Genau das brauchst du bei hohen Intensitäten.
Der Körper organisiert das automatisch über Laktat.
Was das für uns im Training bedeutet
Wenn du verstehst, dass Laktat ein Schalter ist, wird klar, warum Training in niedrigen Intensitäten so wichtig ist:
- Bei geringen Laktatwerten läuft die Fettverbrennung stabil.
- CPT1/CPT2 arbeiten ungestört.
- Die Mitochondrien nutzen bevorzugt Fettsäuren.
- Genau dabei verbessert sich langfristig deine aerobe Kapazität.
Das ist der Grund, warum Zone-2-Training nicht einfach „langsam trainieren“ ist, sondern eine gezielte metabolische Entwicklung.
Je besser deine Mitochondrien funktionieren, desto geringer fällt später die Laktatproduktion aus.
Und je geringer das Laktat, desto länger kannst du auf Fettverbrennung bleiben – selbst bei höheren Geschwindigkeiten.
Und warum geht die Fettverbrennung bei höheren Intensitäten fast vollständig aus?
Weil Laktat dort schnell steigt. Der Körper erkennt: Jetzt zählt Leistung, nicht Effizienz.
Die Konsequenzen:
- Fett wird kaum noch verbrannt.
- Kohlenhydrate decken fast 100 % des Energiebedarfs.
- Die Glykogenspeicher rennen gegen die Uhr.
Das erklärt, warum Intervalltraining „ballert“, aber nicht nachhaltig fettverbrennungsmäßig wirkt.
Es erzeugt keinen starken Stimulus für den Fettstoffwechsel – sondern für Leistung, VO₂max und Laktattoleranz.
Beides hat seinen Platz.
Aber eben zu unterschiedlichen Zwecken.
Warum diese Mechanismen für Triathleten besonders wichtig sind
Triathlon ist ein Sport der langen Dauer und begrenzten Kohlenhydratspeicher.
Wenn du früh zu viel Laktat produzierst, schaltest du den Fettstoffwechsel ab – genau das, was du im Rennen nicht willst.
Ein effizienter Athlet ist jemand:
- der bei gegebener Leistung wenig Laktat produziert
- der lange in der aeroben Zone bleiben kann
- der sparsam mit Kohlenhydraten umgeht
- der die Mitochondrien groß und leistungsfähig hat
Das ist kein Talent.
Das ist Training.
Fazit: Laktat ist nicht der Feind – sondern der Dirigent
Die Vorstellung, Laktat sei eine Art „Müllprodukt“, ist überholt. Laktat ist ein Botenstoff.
Es koordiniert, wie der Körper Energie bereitstellt – von innen nach außen und von außen nach innen.
Hohe Laktatwerte sagen der Zelle:
„Jetzt zählt Leistung.“
Niedrige Laktatwerte sagen:
„Jetzt verbessern wir unseren Stoffwechsel.“
Wenn du diesen Schalter verstehst, trainierst du intelligenter.
- HIT macht den Motor groß.
- LIT macht den Motor effizienter und senkt den KH-Verbrauch.
Beides gehört zusammen.




