Physiologie verstehen: Leistungsfähigkeit des muskulären Energiestoffwechsels
Bewegung braucht Energie. Woher die dafür nötige Energie kommt, hängt davon ab wie lange und wie intensiv wir uns fortbewegen. Uns stehen verschiedene Energiestoffwechselwege zur Verfügung.
Um das Zusammenspiel der verschiedenen Systeme zu verstehen, muss du wissen, dass nie ein System alleine für die Energiebereitstellung verantwortlich ist. Alle Systeme im Körper laufen parallel, aber je nach Intensität und Dauer der Belastung verschieben sich die Anteile des jeweiligen Systems an der Energiebereitstellung.
In der Tabelle kannst du am Beispiel eines 75kg schweren Durchschnitts-Läufers sehen, wie viel Leistung dieser aus den jeweiligen Energiestoffwechselwegen ziehen kann. Dabei habe ich einen Körperfettanteil von 15% angenommen, seine maximale Sauerstoffaufnahme auf durchschnittliche 48 ml/min/kg gesetzt und kein ungewöhnliches Stoffwechselprofil zu Grunde gelegt.
Anaerob-alaktazides System
Bei maximalen Leistungen von wenigen Sekunden springt zunächst das anaerob-alaktazide System an. ATP zerfällt im Muskel und liefert sofort Energie. Das ATP muss nun sofort wieder regeneriert werden. Je mehr ATP verbraucht wird, desto schneller muss ATP wieder hegestellt werden. Jetzt springt erstmal Kreatinphsophat (CrP) in die Bresche. Alle ATP und CrP-Vorräte im Muskel reichen für maximal 10s Maximalbelastung.
Anaerob-laktazides System
Überschreitet die Belastungsdauer 10s übernimmt die anaerob-laktazide einen Großteil der Energiebereitstellung. Glukose wird im Zellinneren zu Laktat abgebaut. Dabei wird eine kleine Menge ATP gewonnen. Damit der Muskel dennoch schnell an die nötige Energie kommt, wird sehr viel Glukose benötigt. Die Laktabildung fährt in den ersten 5s nach Belastungsstart hoch und erreicht nach 20-30s ihre maximale Kapazität.
Aerobe KH-Oxidation
Dauert die Belastung länger an, übernimmt langsam der aerobe Stoffwechsel einen Teil der Energiebereitstellung. Jetzt wird Laktat in den Mitochondrien unter Zufuhr von Sauerstoff verbrannt. Die Energieausbeute ist etwa 140-mal höher als der alaktazide Stoffwechsel, aber dafür ist die Energiebereitstellung auf diesem Wege etwa langsamer 75% langsamer.
Aerobe Fettoxidation
Je länger eine Belastung andauert, desto höher wird der Anteil der Fettverbrennung an der Energiebereitstellung. Fette werden in den Mitochondrien in Energie umgewandelt. Die in Form von Fetten gespeicherte Energie unseres Beispiel-Athleten liegt etwa 1.600-mal über der Kapazität des alaktaziden Systems. Dafür reduziert sich die Geschwindigkeit der Energiebereitstellung nochmal um 50% gegenüber dem Kohlenhydratstoffwechsel auf etwa 12,5% der Geschwindigkeit des alaktaziden Systems.
Fazit
Du siehst also, jedes System hat Vor- und Nachteile. Die anaeroben Stoffwechselwege liefern in kurzer Zeit große Energiemengen, sind aber schnell erschöpft. Die aeroben Stoffwechselwege haben deutlich größere Reserven, laufen aber deutlich langsamer ab.
In der Realität ergänzen sich diese Systeme immer gegenseitig und je nach Belastungsdauer und -intensität verschieben sich die Anteile an der jeweilige Energiebereitstellung.
Dabei gilt das alaktazide System mit seinen ATP- und Kreatin-Phosphaten als 100% Leistung. Das laktatzide System kann in der Summe nur noch etwa 50% der maximalen Energie aufbringen. Und mit jedem weiteren System KH-Oxidation / Fett-Oxidation reduziert sich die Kapazität um jeweils rund 50%. Zumindest in der Theorie.
Wie hoch die maximale Leistung eines Athleten tatsächlich ist, hängt nämlich von den individuellen genetischen Voraussetzungen ab. Je mehr weiße Muskelfasern vorhanden sind, desto höher sind der Phosphagen-Speicher und die Laktatbildungsrate. Mit dem physiologischen Profil kann die Energiezusammensetzung variieren.