Der Siegeszug der Leistungsmessung scheint im Radsport nicht mehr aufzuhalten. Immer mehr Hersteller bieten erschwingliche Powermeter und versprechen eine Genauigkeit von +/- 2 Prozent. Das galt bisher als Referenzwert. Doch wie verlässlich sind die Wattwerte eigentlich?
Das englische Radsportmagazin Roadcycling UK hat 54 Wattmesser unter die Lupe genommen und ausführlich getestet, ob die tatsächlich erbrachte Leistung auch den angezeigten Werten entspricht. Denn nur, wenn ein Leistungsmesser auch verlässliche und genaue Werte ermittelt, kann man damit sein Training effizient steuern.
Dabei haben die Tester zwischen Genauigkeit und Präzision unterschieden. Beides ist notwendig, damit ein Leistungsmesser wissenschaftlichen Anforderungen genügt. Um das zu verstehen, müssen wir uns erstmal anschauen, wo der Unterschied liegt.
Genauigkeit und Präzision
Am Beispiel eines Dartboards lässt sich leicht erklären, worin der Unterschied zwischen Genauigkeit und Präzision liegt.
Wirfst du 3 Pfeile auf eine Zielscheibe, die zwar nicht das Bulls-Eye treffen, aber alle ähnlich weit um die Mitte gestreut sind, dann triffst du relativ genau, aber nicht sehr präzise.
Triffst du mit deinen Pfeilen immer dieselbe Stelle, aber dafür weiter vom Bulls-Eye entfernt, dann wirfst du präzise, aber nicht sehr genau.
Übertragen auf unsere Testsituation ergibt sind folgende Problematik:
Die getesteten Leistungsmesser weisen sehr unterschiedliche Werte in ihrer Genauigkeit und Präzision auf. Die Genauigkeit eines Leistungsmessers ist wichtig, um vergleichbare Daten zu generieren. Das ist besonders wichtig, wenn du beispielsweise Leistungsdiagnostik auf einem geeichten Ergometer machst oder öfter das Rad und damit eventuell auch den Leistungsmesser wechselst.
Präzision ist wiederum wichtig, um die Daten verschiedener Tage miteinander vergleichen zu können. Leider erfüllen nicht alle getesteten Geräte diese Anforderung.
Ideal wäre es zudem, wenn du sowohl genau, als auch präzise triffst.
Leistungsmesser im Test: Genauigkeit
Obwohl nahezu alle Hersteller eine Genauigkeit von +/-2 Prozent angeben, lagen die meisten Leistungsmesser außerhalb der angegebene Spanne. Lediglich SRM, Powertap, Quarq und Garmin konnten im Test von Roadcycling UK die vorgegebenen Werte einhalten. Dabei wurden mehrere Geräte eines Herstellers getestet.
D.h. zwei Leistungsmesser eines Herstellers können bei gleicher Belastung unterschiedliche Werte anzeigen. Selbst beim Benchmark SRM lag die ermittelte Genauigkeit verschiedener Einheiten bei +/- 4 Prozent, was einem Unterschied von 8 Prozent ergibt. Die größte Streuung wurde mit 11 Prozent bei Stages getestet.
Bedenklicher ist jedoch, dass auch die Genauigkeit der einzelnen Geräte erhebliche Abweichungen aufwies.
Wichtiger als die Genauigkeit des Powermeters ist allerdings seine Präzision. Schließlich sollte die Leistung, die ich an einem Tag messe, exakt der Leistung entsprechen, die ich an einem anderen Tag ermittle.
Leistungsmesser im Test: Präzision
Im Test von Roadcycling UK wiesen die Leistungsmesser von SRM, Powertap, Rotor, Quarq und Verve mit 1-2 Prozent Abweichung eine gut Präzison auf. Schlusslicht war Stages mit 6 Prozent Abweichung. Eine mögliche Erklärung für das schlechte Abschneiden von Stages könnte die einseitige Messung sein. Ob auch andere einseitige Systeme getestet wurden, geht aus dem veröffentlichten Testbericht nicht hervor.
Fazit: Die Werte, die dein Wattmesser anzeigt, entsprechen nicht unbedingt, der tatsächlich erbrachten Leistung. Es gibt teils signifikante Unterschiede bei Genauigkeit und Präzision zwischen verschiedenen Herstellern und auch bei verschiedenen Einheiten eines Herstellers.
Mein Tipp: Ein Leistungsmesser ist ein tolles Tool, um das eigene Training zu steuern, aber du solltest schon beim Kauf darauf achten, für welches System du dich entscheidest. Wenn du häufiger zwischen verschiedenen Rädern wechselst, solltest du vermeiden, mehrere Leistungsmesser verschiedener Hersteller zu verwenden. In diesem Fall ist ggf. ein pedalbasiertes System sinnvoller.
Oder du hast zwei identische Wattmesser eines Herstellers im Einsatz. Bedenke dabei, dass Präzision und Genauigkeit selbst beim Marktführer SRM zwischen zwei Geräten erheblich schwanken kann.
Außerdem ist es sinnvoll, deine Leistungsdiagnostik auch mit dem eigenen Wattmesser zu fahren. Bestimmst du beispielsweise deine Trainingsbereiche mittels Laktatanalyse oder Spirometrie auf einem geeichten Cyclus-2-Egometer, können die unter Laborbedingungen ermittelten Werte deutlich von der Leistung abweichen, die dein Rad auf der Straße anzeigt.
Zum Abgleich würde ich deshalb unbedingt in regelmäßigen Abständen einen >> CRP20-Test zur Bestimmung deiner FTP auf dem eigenen Rad absolvieren. So kannst du einigermaßen einschätzen, inwieweit die Laborwerte sich mit deinem Werten aus der Praxis decken. Ggf. ist es ratsam, die Trainingsbereiche anzupassen.
Ich persönlich verzichte sogar auf Leistungsdiagnostik im Labor und mache stattdessen ausschließlich realistische Feldtests auf der Straße. Mit dem CRP20-Test kannst du deine anaerobe Schwelle recht präzise ermitteln und deine Trainingsbereiche selbst berechnen. Außerdem ist der Test kostenfrei und du kannst in jederzeit absolvieren. Ein entscheidender Vorteil hierbei: Die ermittelten Werte sollten in sich schlüssig sein, sofern dein Wattmesser ausreichend präzise ist.
Ausführliche Infos zum Thema findest du im >> Bericht von Roadcycling UK